Kamerafrau / DOP

Kamerafrau Caroline Bobek am Set von Boomerang, © WILDart Film

Kamerafrauen sind die Autorinnen der Bilder.
Im Rahmen eines Kamerateams bestimmt und überwacht die Chefkamerafrau die technischen und gestalterischen Parameter der Aufnahmen, insbesondere Beleuchtung, Bildkomposition und Kameraführung (letztere wird teils von ihr selbst, teils von einem oder mehreren Camera-operators oder Schwenkern bzw. Zusatzteams ausgeführt). Nur von der (Chef-) Kamerafrau in diesem Sinne wird also im Folgenden die Rede sein.

Kamerafrau Laura Ettel beim Dreh in Island für den Dokumentarfilm Die Unvollendeten.

Kamerafrau Astrid Heubrandtner beim Dreh von Universum Semmering Eine Stadt greift nach der Landschaft.

Die Bildgestaltung eines Filmes ist unverwechselbares Ergebnis schöpferischer Phantasie, die Kamerafrau übt dabei bestimmenden gestalterischen Einfluss aus. Trotzdem wird dieser Beruf vielfach und fälschlich als überwiegend technisch angesehen. Die Technik ist die Basis und zu ihrer Bedienung und Überwachung stehen Kamera- und Lichtassistentinnen (Kamera- und Lichttechnikerinnen) in jedem Team zur Verfügung.
Sicher sind die technischen Grundlagen der Kameraarbeit umfangreicher als die z.B. der Regie, aber die Kamerafrau steht dadurch keineswegs „zwischen Kunst und Technik“, sondern besitzt gerade mit der heutigen technischen Vielfalt fast unbegrenzte Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks.

AUFGABEN

Der Aufgabenbereich der Kamerafrauen umfasst die künstlerische und technische Mitarbeit bei der Filmherstellung. Aufgabe der Kamerafrauen ist die eigenschöpferische und eigenverantwortliche Bildgestaltung der Filmwerke in Zusammenarbeit mit der Regie.

Die grundsätzliche Verantwortung der Regisseurin liegt in der szenischen Gestaltung (Inszenierung), die der Kamerafrau in der visuellen Gestaltung eines Filmwerkes. Der Übergang jedoch ist fließend, die Kamerafrau beeinflusst die Inszenierung wie die Regisseurin die Visualisierung. Der Grad dieser gegenseitigen Beeinflussung ist persönlichkeitsbedingt, er ist gezeichnet von Erfahrung, Vertrauen, Arbeitsmethodik.

Die Vorbereitung beginnt in der Regel mehrere Wochen vor Beginn der Drehzeit, hier werden die künstlerischen Grundlagen für die Gestaltung des Filmes erarbeitet und die erforderlichen finanziellen, technischen und personellen Entscheidungen getroffen.

Tätigkeiten in der Vorbereitungsphase:
• Einarbeitung in das Drehbuch;
• Vorgespräche mit der Regie über dramaturgische und stilistische Konzeption, Budget, Besetzung etc;
• Vorgespräche mit der Produktion über Budget, Drehplan, Technik und Personal;
• Vorgespräche mit der Ausstattung über Drehorte, Originalmotive und Bauten sowie deren künstlerische und technische Einrichtung, Qualität und Anordnung natürlicher und künstlicher Lichtquellen sowie die generelle Farbgestaltung;
• Vorgespräche mit Kostüm- und Maskenbildner zur Abstimmung von Kostümfarben sowie der Schminktechnik;
• Motivsuche und -bestimmung. Durch Regie, Kamera, Ausstattung und Produktion erfolgt die Auswahl und Festlegung der Schauplätze;
• Bestimmung der technischen Ausrüstung und des Labors: Hier erfolgt die Entscheidung über Kameras, Filmmaterial, Dollies, Kran. Beleuchtung und Labor.
• Bestimmung des technischen Personals: Kamerateam, Zusatzteams. Bühnentechnikerinnen, Beleuchterinnen, Festlegung der jeweiligen Kompetenzen.
• Probeaufnahmen von Darstellern, Kostümen, Schminktechnik, Dekorationen, Bauten und Motiven
• Testaufnahmen zur Überwachung von Kameras, Objektiven, Filmmaterial und Laborarbeiten

Tätigkeiten in der Drehphase:
In dieser Zeit, je nach Art der Produktion von höchst unterschiedlicher Dauer, erfolgt die Herstellung des Films in seinen wichtigsten Details, Einstellung für Einstellung.
• Szenenauflösung: Dies ist eine der wesentlichen Phasen der Filmgestaltung dramaturgische und optische Erfassung von Handlungsabläufen und deren visuelle Prägung. Eine Szene wird in einen Ablauf einzelner Einstellungen und Kamerabewegungen aufgeteilt. Bereits hier entscheiden Regie und Kamera gemeinsam über die Szenenstruktur. Festlegung der einzelnen Einstellungen durch die Auswahl von:
– Kameraposition und -höhe (Unter- oder Obersicht, Größe oder Kleinheit, Macht oder Ohnmacht)
– Kamerabewegung (Dolly, Kran, Handkamera etc. für Identifikation. Timing, Suspense)
– Objektivwahl (z. B. Tele oder Weitwinkel, zusammenführen oder distanzieren, Zoom)
– Schärfe und Unschärfe, Tiefenschärfe (ausweiten oder einengen, herausheben, betonen)
– Bildausschnitt und -komposition, kann die visuelle und emotionale Rezeption des Zuschauers beeinflussen
– Lichtgestaltung: Das Licht stellt eines der wesentlichen fotografischen Gestaltungsmittel dar, nicht umsonst wurde das Kino früher Lichtspieltheater genannt. Durch den kreativen Einsatz von Licht und Schatten, Front-. Seiten- oder Gegenlicht, punktueller oder flächiger Beleuchtung, Härte oder Weichheit des Lichtes, Kontrast und Helligkeitsverteilung (z. B. high-key, low-key) sowie der Farbe ergeben sich auch hier vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Lichtgestaltung liegt grundsätzlich in alleiniger Verantwortung der Kameraleute, sie wird vielfach als die wichtigste Aufgabe der Kamera betrachtet. Die Oberbeleuchterin organisiert und überwacht den Beleuchtungsaufbau. Die gestalterische Entscheidung liegt ausschließlich bei der Kamerafrau.
– Farbgestaltung und Filterung, zur Steigerung dramaturgischer und emotionaler Wirkungen. Die Effekte können sowohl mit farbigem Licht wie auch mit integraler oder partieller Filterung in der Kamera erreicht werden.
– Fotografische Spezialeffekte und Trick: Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten, die sowohl bei der Aufnahme als auch in der Nachbearbeitung erreicht werden können. Früher wurden Tricks bevorzugt in der Kamera ausgeführt, heute aufgrund besserer Technik und Zeiteinsparung vermehrt in der Postproduction.
– Beurteilung und Auswahl des gedrehten Materials. Eine Vor- Auswahl des gedrehten Materials erfolgt, in der Regel täglich, gemeinsam durch Regie, Kamera und Schnitt. Teilweise werden bereits bestimmte „Takes“ ausgewählt, teilweise werden auch nur bestimmte Präferenzen von den Beteiligten angegeben und für den Schnitt notiert.
– Überwachung von Technik und Labor: Eine laufende Überwachung der technischen Geräte inkl. Testaufnahmen erfolgt generell durch Kameraassistentinnen, die Überwachung der Kopierwerksarbeiten durch die Kamerafrau
– Führung und Weiterbildung der Mitarbeiter: Da die untergeordneten Mitarbeiter im Kamerateam sich in der Regel auf einer bestimmten Stufe ihrer Ausbildung befinden, die sie zu ihrer derzeitigen Position im Team befähigt, kommt der Kamerafrau hier auch die Funktion einer „Lehrmeisterin“ zu. Sie hat die Aufgabe, ihre Mitarbeiter im Verlaufe ihrer Arbeit auch für eine höheren Position zu qualifizieren.
– Budgetkontrolle: Im Ablauf einer Produktion trägt die Kamerafrau auch eine Mitverantwortung dafür, dass die Kosten ihres Bereiches den Rahmen des Budgets nicht unerwartet überschreiten.

Tätigkeiten während der Postproduction/Endfertigung:
Nach Beendigung der Dreharbeiten ist die letzte Produktionsphase für den Abschluss von Schnitt, Trick- und eventuell elektronischer Bildbearbeitung vorgesehen. Bis zur Abnahme der endgültigen Filmkopien oder der Videoüberspielung hat die Kamerafrau noch folgende Aufgaben:
– Überwachung und Beratung: Überwachung von nachträglichen Zusatz, Modell- und Trickaufnahmen, die häufig von einem gesonderten Team durchgeführt werden. Ein neues Aufgabengebiet entwickelt sich durch den zunehmenden Einsatz nachträglicher digitaler Bildbearbeitung. Da dies einen Teil des fotografisch – kreativen Prozesses darstellt, muss auch hier die bildgestaltend – verantwortliche Kamerafrau beteiligt sein und ein Mitspracherecht besitzen. Bei der Vorführung verschiedener Schnitt – Versionen erfolgt häufig eine Beratung von Regie und Schnitt durch die Kamerafrau, gelegentlich wird sie auch während des Schnittes für spezielle Fragen zugezogen.
– Licht- und Farbbestimmung: Vor der Herstellung der endgültigen Filmkopien erfolgt die Licht- und Farbbestimmung im Labor bzw. Colour – Matching. Hier erfolgt die Helligkeits- und Farbabstimmung der Einzeleinstellungen in der Abfolge des Schnittes, hier können noch letzte kreative Korrekturen eingebracht werden. Dies ist die letzte Phase und der Abschluss des fotografisch – gestalterischen Prozesses.
– Endabnahme: Fotografisch -technische Abnahme der endgültigen Filmkopien bzw. der Videoüberspielung.

ANFORDERUNGEN

Generelle ANFORDERUNGEN sind gutes Sehvermögen, physische und psychische Belastbarkeit, gute Allgemeinbildung, technisches Verständnis, ausgeprägtes Stilgefühl, Durchsetzungsvermögen, Organisationstalent und Führungsqualitäten. Sinnvoll wäre auch ein Studium der Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte, Architektur oder die Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit.

AUSBILDUNG

Der heutige Zugang zur „Berufsausbildung – Kamera“ erfolgt über ein Studium an einer Filmhochschule.

Kamerafrau ist in Österreich kein allgemein anerkannter Ausbildungsberuf. Bisher erfolgte die Ausbildung auch in der Praxis, wobei sich folgende Phasen besonders bewährt haben:

  • Lehre als Fotografin / Lichtbildnerin (sinnvoll als Vorstufe)
  • Lehre bzw. Praktikum in einem Film – Kopierwerk mit umfassender Kenntnis aller Arbeitsabläufe
  • Praktikum in einem Film – Geräteverleih mit Kenntnis aller Kamerasysteme
    sowie grundsätzlich:
  • mehrjährige Tätigkeit in verschiedenen Kamerateams, zuerst als Materialassistentin, später als 2.- und 1. Kameraassistentin, zuletzt als Operator (Schwenkerin).