Tonmeisterin
Tonmeisterin Teresa Schwind
Tonmeisterin Nora Czamler am Set von Grün, grün grün, Photo: © WILDart Film
Tonmeisterin Nic Nagel Foto © Lars Barthel
Der Aufgabenbereich der Originaltonmeisterin umfasst die künstlerische und technische Mitarbeit bei Filmdreharbeiten. Ihre Aufgabe ist die kreative und eigenverantwortliche Tonaufnahme aller für die Postproduktion benötigten Originaltöne (kurz “O-Ton”) am Drehort, hauptsächlich Sprache. Dies erfordert neben umfassenden technischen und organisatorischen Fähigkeiten ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen und Wissen um die klanglichen Gestaltungsmittel.
Die Bedingungen der Tonaufnahme und die Art der aufzunehmenden Töne sind maßgeblich durch die Bildgestaltung und das gefilmte Geschehen bestimmt. Die O-Tonmeisterin muss die tonliche Situation am Drehort dahingehend gestalten, dass es möglich wird, einen zum Bild authentisch wirkenden O-Ton aufzuzeichnen. Ihre Arbeit umfasst dabei die Gestaltung der akustischen Bedingungen am Drehort und die Wahl der erforderlichen technischen Mittel. Sie weist die Regisseurin auf mögliche tonliche Probleme bei der Inszenierung hin und schlägt Alternativen vor.
Die O-Tonmeisterin muss Bildinhalte und dramaturgische Funktion einer Einstellung unmittelbar erfassen können. Damit bei der späteren Montage die Illusion zeitlicher Kontinuität ermöglicht wird, muss sie dafür Sorge tragen, dass klangliche und darstellerische Anschlussfehler vermieden werden.
Soweit am Drehort besondere dramaturgisch wichtige Geräusche innerhalb oder außerhalb des Bildes vorhanden sind, sind auch diese in Form von sogenannten Nur-tönen (also ohne Bild) aufzunehmen, insbesondere, wenn sie nicht, oder nur schwer im Nachhinein zu erzeugen sind. Dazu gehören u.a. Dialog-Nachsprecher, Komparsenstimmen, Töne besonderer Requisiten, oder einzigartige Ton-Atmosphären (kurz „Atmo“).
Da die Arbeit der O-Tonmeisterin am Beginn der Tonproduktionskette steht, legt sie die Basis für alle nachfolgenden Arbeiten am Filmton. Sie muss eine gute Kommunikation mit dem Bild- und dem Tonschnitt etablieren. Die Kenntnis des aktuellen Standes der Postproduktionstechnik für Bild und Ton und des prinzipiellen Ablaufs von Schnittarbeiten ist wichtig, um zu gewährleisten, dass nicht Teile der Tonaufnahmen oder Metadaten im Laufe des Bildschnitts verloren gehen. Auch in diesem Sinne sollte bereits vor Drehbeginn ein Workflow für den Ton-Transfer vom Set in den Bildschnitt und von dort in den Tonschnitt entwickelt und getestet werden.
Die O-Tonmeisterin arbeitet in der Regel projektbezogen als Angestellte oder Selbstständige, mitunter auch in Festanstellung. Im Bereich der szenischen Produktion leitet sie ein Team aus idealerweise zwei Tonassistentinnen.
AUFGABEN
Vorbereitung:
• Studium des Drehbuchs hinsichtlich der tonlichen Anforderungen und Umsetzbarkeit
• Besprechung mit Regie: Auflösung durchgehen, klangliche Intentionen hinsichtlich des Endprodukts erarbeiten, Anschlüsse abklären, Hinweise und Lösungsvorschläge zu vorhersehbaren akustischen Problemen machen
• Besprechung mit der Leiterin der Ton-Postproduktion (Sound Supervisor): klangliche Intentionen hinsichtlich des Endprodukts erarbeiten, Audio- und Metadaten-Workflow testen, notwendige Nurtöne und Atmos besprechen, die von der Originaltonmeisterin aufgenommen werden sollen
• Besprechung mit Produktions- / Herstellungsleiterin: Falls notwendig Veranschlagung des Aufwandes, der für die Nutzbarmachung eines Drehortes zur Tonaufnahme anfällt, beispielsweise in Form von Straßensperrungen, Akustikbau (Absorber, Dämmmaterial,…) usw. Auswirkungen durch schlechten O-Ton auf das Gesamtbudget verdeutlichen
• Personal-, Materialeinsatz und Zeitaufwand kalkulieren
• Besprechung mit Kamera/Licht: Drehstil und Auflösung hinsichtlich tonlicher Umsetzbarkeit durchgehen, Bild- und Lichttechnik auf O-Ton-Tauglichkeit prüfen (Lüfter in Monitoren und Kameras u.ä.). Leise Generatoren und akustisch ausreichenden Abstand (hinreichende Leitungslänge!) zum Drehort einfordern
• Besprechung mit Szenenbildnerin: Hinweise zur o-tontauglichen Auswahl und Gestaltung von Drehorten und Kulissen, Besprechung von notwendigen Akustikmaßnahmen (Schalldämmung, Schallabsorbtion), Beseitigung von Störgeräuschen (bspw. Dielenknarren usw.)
• Besprechung mit Kostüm: Hinweis auf Verwendung möglichst raschel- und knisterfreier Stoffe sowie Vorbereitung von Kostümen zum Einbau von Ansteckmikrofonen, Beklebung von Schuhsohlen zur Dämmung von Schrittgeräuschen
• Obligatorisch: Teilnahme an den Motivbesichtigungen. Hinweise an Regie und Produktion hinsichtlich der akustischen Eignung der Motive
• Klärung des Produktionsablaufs z.B. bei Musik- und Gesangsaufnahmen am Drehort
• Festlegung und Überprüfung der technischen Geräte und des Arbeits- und Verbrauchsmaterials
• Klärung und evtl. Anmeldung der Frequenzen für Funkmikrofone
• Abstimmung und Testen des Datentransfers/Workflows vom Drehort über den Schneideraum zur Tonnachbearbeitung in Absprache mit Filmeditorin, seiner Assistentin und Sound Supervisor
Durchführung:
• Wahl einer sinnvollen Mikrofonierung (in der Regel Angel- und / oder Einbau- und Ansteckmikrofone)
• Aufnahme der Dialoge bzw. aller Aktionen vor der Kamera
• Überwachung der Tonaufnahmen (technische / künstlerische Qualität, Text, Sprachverständlichkeit, nicht tolerierbare Nebengeräusche)
• Sicherstellung der Synchronität von Bild- und Tonaufnahmegerät(en)
• Bereitstellung von Mithörmöglichkeiten (engl. feed) für Regie und andere Gewerke
• Anweisung an die Tonassistentinnen zur Mikrofonführung und evtl. zum Einbau von Ansteckmikrofonen
• gegebenenfalls Playback-Einspielungen
• Erstellung einer O-Ton-Vormischung während der Aufnahme zur Verwendung für den Bildschnitt
• Beratung der Regie hinsichtlich der tonlichen Inszenierung
• Aufnahme bildunabhängiger oder dramaturgisch notwendiger Zusatztöne am Set (Nachsprecher, Off-Dialoge, Musik, drehortspezifische Atmosphären, Spezialgeräusche usw.) für die Tonnachbearbeitung
• Erstellen des Tonberichts in elektronischer (Metadaten) oder Papierform in Zusammenarbeit mit Continuity/Script
• Übergabe der Tonaufnahmen und Tonberichte an die Postproduktion; bei non-linearer Aufzeichnung in der Regel Anfertigung von Sicherheitskopien
• Teilnahme an der Mustervorführung.
Nachbereitung:
• Beantwortung von Rückfragen aus der Postproduktion
• Anwesenheit bei der Postproduktionstonbesprechung
• Anwesenheit bei der Dialog- oder Endmischung zusammen mit Regie
ANFORDERUNGEN
• Einwandfreie Hörfähigkeit
• Konzentrationsfähigkeit über längere Zeit
• Bereitschaft zu unregelmäßigen Arbeitszeiten und Überstunden
• Bereitschaft zum Einsatz an wechselnden Drehorten (andere Städte und Länder), Wochenend- und Nachtarbeit
• Physische und psychische Belastbarkeit
• Fähigkeit, kleinste Details eines Klangbildes wahrzunehmen und zu beurteilen
• Musikalität
• Fähigkeit zu Teamarbeit, selbstbewusstem und konstruktivem mitmenschlichem Umgang und Empathie auch in Stresssituationen
• Dispositionsfähigkeit, Improvisationsfähigkeit, Führungseigenschaften, Entscheidungsvermögen und Verantwortungsbereitschaft
AUSBILDUNG
Es gibt keinen geregelten Ausbildungsweg speziell zur O-Tonmeisterin. Gängig ist entweder eine mehrjährige Berufspraxis als Filmtonassistentin, eine medientechnische Ausbildung, oder ein tontechnisches Studium.
Neben elektroakustischen Kenntnissen ist vor allem bei der weit verbreiteten Selbständigkeit in diesem Beruf auch betriebswirtschaftliches Wissen von Nutzen.