Schuld & Verantwortung
Nachdem wir zwei große Kollektive mit vielen unterschiedlichen Meinungen und Erfahrungen sind und diese Meinungen auch gegenseitig respektieren, gibt es von uns zu tagesaktuellen Fragen selten ein Statement. Unsere Antwort auf Missstände in der Filmbranche ist unsere beharrliche feministische filmpolitische Arbeit und das stetige Drängen auf einen Systemwandel.
Die Anklage gegen den Schauspieler Florian Teichtmeister wegen Besitzes einer enormen Zahl an Kindesmissbrauchsdarstellungen eröffnet einen grundsätzlichen Diskurs über Schuld und Verantwortung.
Die Schuld des Angeklagten ist durch sein Geständnis unbestritten. Die Verantwortung der Entscheidungsträger*innen in Theater und Film, die den Darsteller nach der Anzeige durch seine Ex-Lebenspartnerin weiter engagierten, wurde bislang von den handelnden Personen nicht voll umfänglich übernommen. Der „Fall Teichtmeister“ zeigt, dass, trotz der Sensibilisierung in der Branche im Zuge von #metoo, entscheidende Schritte oft nicht gesetzt werden. „Die Angst ist größer, jemanden vorzuverurteilen, als jemanden im Stich zu lassen“, bringt es Meike Lauggas von der Beratungsstelle #we_do! in einem Interview auf den Punkt.
Wem wird die Macht über die öffentliche Erzählung zugesprochen? Wem wird geglaubt? Welche strukturellen Mängel werden durch den „Fall Teichtmeister“ sichtbar?
Eines der wichtigen Ziele unserer filmpolitischen Arbeit ist die Gewährleistung eines (Arbeits)Klimas, das Schutz vor Ungleichbehandlung, Diskriminierung, Machtmissbrauch und sexueller Gewalt bietet. Dafür müssen Förderstellen, Produzent *innen und Head of Departements Verantwortung für ihre Mitarbeiter*innen übernehmen und auf Fehler, die gemacht werden, entschieden reagieren. Nur ein transparenter Umgang mit Fehlentscheidungen und das Hinterfragen althergebrachter „Erzählungen“ kann einen Veränderungsprozess in Gang setzen, der es ermöglicht, dass Betroffene von Machtmissbrauch und (sexualisierter) Gewalt gehört werden, und der Täter*innen keinen Schutz mehr bietet.
Menschen, die Machtmissbrauch und Gewalt erfahren, haben nach wie vor die berechtigte Angst, sozial und beruflich isoliert zu werden, wenn sie die Täter*innen benennen. Auch Mitwissende gehen meist das Risiko nicht ein, sich offen zu positionieren und vor die Opfer zu stellen. Die ungenügende Solidarität mit Betroffenen von Gewalt und Machtmissbrauch ist ein gesamtgesellschaftlicher Missstand. Wir fordern daher den Ausbau der Finanzierung von rechtlichem Beistand für Betroffene und wir fordern dazu auf, Missstände öffentlich zu benennen und Solidarität mit denen zu zeigen, die den Mut aufbringen, das zu tun.
Der laufende Diskurs macht für uns dennoch einen Kulturwandel sichtbar: Vieles, was früher die Norm war und meist stillschweigend toleriert wurde, gerät heute in Kritik. Das stimmt uns optimistisch und kämpferisch. Wir lassen nicht locker, die Branche gemeinsam und nachhaltig zu verändern.